
Tipps & Ratgeber
Handschliff? Ich muss weg – Der Handschliff und seine Tücken
Unsere Ausbilder plaudern aus dem Nähkästchen!
„Bitte schleife ein mineralisches Brillenglas von Hand in eine Vollrandfassung ein.“ So oder so ähnlich könnte eine Aufgabe, sowohl im Betrieb als auch in der ÜLu, lauten. Das tückische daran? Du musst so einige Punkte beachten – und sie in der richtigen Reihenfolge ausführen! Insgesamt gehst Du also 9 Schritte durch, bis Du einen perfekten Handschliff vor Dir liegen hast!
Merke Dir also: Sag nicht Nein zum Handschliff, sondern Neun!
Lass uns gemeinsam die Punkte durchgehen – wir haben für Dich auch den ein oder anderen Expertentipp im Gepäck!
Die perfekte Reihenfolge für deinen Handschliff
- Richte die Brillenfassung werkstattgerecht aus!
Kennst Du den Begriff „Standardausrichtung“? Wenn ja, kannst Du Dein Wissen direkt bei Punkt 1 anwenden! Nur anhand der Fassung kannst Du feststellen, wie die beiden Gläser später zueinander orientiert sind. Ein unsauberes Arbeiten in Schritt 1 kann dazu führen, dass die Achse später außerhalb der gewünschten Parameter liegt. Je mehr Wert Du also auf die Standardausrichtung legst, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit von Reklamationen! - Zeichne die Achse der Brillengläser an!
Als Azubi der Augenoptik weißt Du genau, was in Schritt 2 von Dir verlangt wird.
Unser Tipp: Achte auf die Plus- und Minuszylinderschreibweise! - Fertige eine Astralonscheibe an!
Der nächste Schritt gibt Dir ein wenig Spielraum in seiner Durchführung. Du kannst entweder den Ursprung des Koordinatensystems der Astralonscheibe auf den Durchblickpunkt des Kunden legen (PD und Höhe beachten!), oder zentrisch auf den Scheibenmittelpunkt „C“.
Die zweite Möglichkeit bietet Dir den Vorteil, dass Du Dich bereits früh an das Anfertigen einer zentrischen Formscheibe gewöhnen kannst. Und: Du benötigst nur eine Astralonscheibe! Wenn Du nämlich das rechte Glas geschliffen hast, drehst Du die Astralonscheibe einfach um und zeichnest den neuen linken Durchblickpunkt an.
Unser Tipp: Eine Astralonscheibe lässt sich auch sehr leicht ausbrechen, nachdem man die Stützscheibe mit einer Anreißnadel umfahren hat. Die Kanten noch ein wenig mit der Feile glätten und fertig! - Übertrage die Form auf das Glas!
An dieser Stelle kannst Du Dir die für Dich passende Möglichkeit aussuchen, denn Du hast gleich 5 Varianten zur Auswahl! Du kannst die Astralonscheibe…
… mit einem Blockerkleber auf das Glas kleben. Beachte hierbei bitte die PD und die Höhe und bringe die Horizontale der Astralonscheibe parallel zu den drei Anzeichenpunkten des Glases.
… mit einem wasserfesten Folienstift/Permanentmarker umfahren. Expertentipp: Manchmal löst sich der Stift beim Schleifen (trotz der Wasserfestigkeit) – dann kann es helfen, die feine Linie vorher mit einem durchsichtigen Nagellack zu fixieren!
… mit einem Lackstift umfahren. Aber Vorsicht! Lackstifte kleksen manchmal – also passt auf Deine Kleidung auf!
… mit einer Anreißnadel umfahren. Die feine angerissene Linie kannst Du mit einem Wachsmalstift oder ein wenig Polierpaste deutlicher hervorheben.
… mit einem Tipp-Ex-Stift umfahren. Der Vorteil: Die Trocknungszeit ist kurz und das Material haftet gut am Glas! - Rande das Glas vor!
Auch beim Vorranden gehst Du zwei Schritte nacheinander: Schneiden und Bröckeln! Unser Tipp: Du arbeitest von Grob nach Fein. Alles was geschnitten werden kann, braucht nicht mehr gebröckelt werden. Alles was gebröckelt werden kann, braucht nicht mehr auf der Schruppscheibe geschliffen werden! - Schleife die Flachfacette!
Mit der groben Schruppscheibe bringst Du die Gläser grob in die gewünschte Form. Aber Achtung: Wechsel frühzeitig auf die Feinschleifscheibe, um Flinsen zu vermeiden! - Schleife die Spitzfacette!
Dieser Schritt ist etwas umfangreicher – und damit auch fehleranfällig! Zuerst färbst Du die Flachfacette ringsum mit einem Edding an – so siehst Du leichter, wo noch geschliffen werden muss. Die Spitzfacette arbeitest Du von Hand vor, bis nur noch ein dünner Strich des Eddings zu sehen ist. So hast Du eine Art Führung für die Nut am Schleifstein vorbereitet! Die Spitzfacette lässt sich präzise zu Ende schleifen und der Facettenverlauf wird weniger wellig!
Wenn Du nun schleifst, beginne immer nasal und unten. Warum? Diese beiden Seiten sind ausschlaggebend für die spätere Zentrierung. Passen diese beiden Seiten, kannst Du temporal und oben solange schleifen, bis das Glas in der Fassung sitzt.
Achtung: Wird das fast fertige Glas zur Probe in die Fassungsnut eingesetzt, entsteht oft der Eindruck, das Glas wäre temporal zu groß, da sich der Schließblock noch nicht schließen lässt. Daher unser Tipp: Viel einfacher und wesentlich genauer ist es, das fast fertige Glas vorsichtig von vorne auf den geschlossenen Fassungsrand zu legen. An dieser Stelle ein großes „Achtung“: Pass ganz genau auf, dass das Glas nicht abrutscht und durch die Fassung fällt!
Mit dieser Methode kannst Du genau markieren, wo noch etwas weggeschliffen werden muss und wo nicht. Das Glas sollte immer der Fassung angepasst werden – nicht umgekehrt!
Sollte es Dir beim Handschliff immer wieder passieren, dass Deine Gläser Luft in den Ecken haben, könnte folgender Tipp hilfreich sein: Schleife zuerst nur die Kanten (nasal, unten, temporal und oben) und ignoriere dabei vorerst sämtliche Ecken. In der Folge werden die Ecken dadurch zunächst sehr spitz; das kannst Du aber im Anschluss schnell beheben, indem du die Ecken kurz an der Nut des Handschleifsteins nachschleifst. - Kante die Gläser ab!
Nun sind wir schon beim vorletzten Schritt angekommen: dem Abkanten! Die Gläser sollten vor jedem Einsetzen (auch wenn es nur zur Probe ist) abgekantet werden, und zwar immer Vorderfläche und Rückfläche! Wie beim Löten gilt: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. - Setze die Gläser ein!
Die Gläser sollten am Ende natürlich spannungsfrei in der Fassung sitzen.
Nimm Dir die Reihenfolge zu Herzen und der Handschliff sollte schon bald zu Deinen liebsten Aufgaben in der Werkstatt gehören!